Vergleichsstudien




Diskussion
Die Spitzenantworten zu F2 zeigen, dass v.a. die fehlende soziale Eingebundenheit zur Motivationsveränderung bei den HSG-Studierenden führt. Damit zusammenhängend werden das eingefrorene Campusleben sowie die gesperrten Lernräumlichkeiten wie Bibliothek, Lehr- und Arbeitsräume vermisst.


Diese Ergebnisse unserer Befragung werden auch in der HSG- sowie MoDiLe-Studie ersichtlich (Abb. 1&2) und lassen sich mit den Basic Needs verknüpfen. Die soziale Eingebundenheit, eines dieser Bedürfnisse, macht einen zentralen Aspekt des Gesamt-Ökosystems „Universität“ aus und prägt die Studierende. Die Befriedigung sozialer Bedürfnisse fällt seit Covid-19 geringer aus, was negative Auswirkungen auf die Motivation der Studierenden hat.
F3 und F4 zeigen, dass v.a. eine interaktive und abwechslungsreiche Veranstaltungsstruktur motivationsförderlich ist. Monotonie und reiner Frontalunterricht sollen vermieden werden, um die Motivation der Studierenden aufrechtzuerhalten. Auch die HSG-Studie zeigt ähnliche Ergebnisse, wobei eine gut strukturierte, abwechslungsreiche (i.S.v. Multimedia-Einsatz) und transparente Veranstaltung als motivationsförderlich gilt. Um Monotonie und lange Bildschirm-Zeiten vorzubeugen, bieten Gruppenarbeiten und kürzerer Frontalunterricht bzw. mehr eigenständige Vor- und Nachbereitung Abwechslung.
Hierbei wäre die konstruktivistische Unterrichtsgestaltung eine mögliche Erklärungsgrundlage. Die Online-Lehre kann durch den Modalitätseffekt, wonach die Verwendung von Visualisierungen und gesprochenem Text als motivationsförderlich gilt (Leutner et al., 2014, S. 307), abwechslungsreich gestaltet werden. Die interaktive Unterrichtsgestaltung würde der fehlenden sozialen Eingebundenheit entgegenwirken, da trotz physischer Distanz, soziale Interaktionen mit den vorhandenen Mitteln stattfinden können.
Die Studienergebnisse zeigen in F5‑7, dass die Unterrichtsteilnahme seit der Online-Lehre ungefähr gleich hoch ist wie zuvor, der Präsenzunterricht jedoch präferiert wird.
Als Hauptvorteil der Online-Lehre wird die Flexibilität genannt (F8). Weitere Vorteile sind Aufzeichnungen, Zeitersparnisse sowie Autonomie. Die Vorlesungsaufzeichnungen werden besonders geschätzt und von ¾ der Studienteilnehmenden nachträglich angeschaut (F10). Dies ermittelte auch die HSG-Studie, wonach die Studierenden die Aufzeichnungen schätzen und künftig beibehalten wollen (Abb. 3).

Unsere Studie zeigt als Gründe für die positive Resonanz den Flexibilitätszuwachs (Autonomie), die Vereinbarkeit mit Berufstätigkeit sowie die Möglichkeit effizienteren Lernens (Kompetenzerleben). Letzteres hat sich durch die Umstellung des Vorlesungsbetriebs zwar nicht stark verändert (F15), trotzdem wird bei rund 35% der Studierenden ein Kompetenzzuwachs verzeichnet.
Der Hauptnachteil der Online-Lehre ist die fehlende soziale Interaktion (F2‑4, 9). Deren Auswirkungen zeigen sich in F16, wonach ¾ aller Studienteilnehmenden angeben, wegen mangelnder sozialer Kontakte weniger motiviert zu sein, Vorlesungen zu besuchen ( → H2). Ähnliche Ergebnisse zeigen auch die Vergleichsstudien (Abb. 1&4; Kindler, Köngeter & Schmid, 2021, S. 33f.; Holzer et. al, 2021, S. 8f.). Weiter hat etwa die Hälfte aller Personen, welche vor der Pandemie lieber in Gruppen lernten, angegeben, aufgrund der Pandemie keine Lerngruppen mehr gebildet zu haben (F17). Auch dies hat einen negativen Einfluss auf ihre intrinsische Motivation.

Die durch die Online-Lehre gestiegene Autonomie wird von den Studierenden v.a. aufgrund der gewonnenen Flexibilität und einer besseren Berufsvereinbarkeit geschätzt (F20). Diese Ergebnisse stimmen mit Dilger et al. (2020, S. 12) überein.
Die gesteigerte Autonomie kann zu höherer intrinsischer Motivation führen. Zudem wird die Autonomie auch wegen dem selbstregulierten Lernen geschätzt (F20). Holzer et al. (2021, S. 8) haben festgestellt, dass sich diese Aspekte i.S. der Selbstbestimmungstheorie positiv auf die intrinsische Motivation auswirken ( → H1).
Indem die Autonomie und das Kompetenzerleben gesteigert, die soziale Eingebundenheit aber reduziert wurde, beeinflusst die Online-Lehre alle Grundbedürfnisse. Die Ergebnisse zu F1 zeigen, dass sich die Studierenden insgesamt weniger motiviert fühlen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die sinkende soziale Eingebundenheit den Anstieg von Kompetenzerleben und Autonomie überwiegt (F16) und die intrinsische Motivation deshalb sinkt ( → H3).
Es könnte aber auch sein, dass die extrinsische Motivation gesunken ist und es deshalb zur Motivationsabnahme kommt. Die tendenziell tiefere Motivation ermittelte auch die HSG-Studie (Abb. 4), welche sich mit einer breiteren Palette von Aspekten beschäftigte, weshalb es wahrscheinlich ist, dass die gesunkene Motivation auch durch zusätzliche Faktoren zu erklären ist.
Schlussendlich wird ersichtlich, dass die intrinsische Motivation der Studierenden durch die Online-Lehre, trotz positiver Auswirkungen des Autonomie- und Kompetenzerlebensanstiegs ( → H1), tendenziell sinkt. Die fehlende soziale Interaktion wird deshalb als ausschlaggebender Faktor der Online-Lehre identifiziert, weshalb die Motivationsentwicklung überwiegend negativ beeinflusst wird (H2&H3).
Grenzen der Studie

Zukunftsaussichten
Aufgrund des generell steigenden Digitalisierungsgrad und weiteren Megatrends (z.B. Flexibilisierung oder New Work) ist anzunehmen, dass auch nach der Coronapandemie gewisse universitäre Veranstaltungen online stattfinden werden, denn die aktuelle Situation zeigt, dass Online-Vorlesungen nicht nur negative Seiten haben.
Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass die Online-Lehre Auswirkungen auf die intrinsische Motivation der Studierenden und damit einen Einfluss auf deren Zufriedenheit haben kann. Entsprechend müssen Universitäten bei der Planung des künftigen Universitätsbetriebs gewisse Punkte beachten. Als optimale Gestaltungsform schlagen wir vor:

Allerdings muss beachtet werden, dass eine zusätzliche Problementschärfung sinkender Motivation durch Online-Lehre möglich ist:
- aktuell: Online-Lehre und zusätzliche Einschränkungen (kein „normales“ Studierendenleben möglich bzgl. Freundschaften pflegen, in Ausgang gehen, etc.) → negative Auswirkung auf Motivation
- Motivation der Studierenden bei Online-Lehre ohne zusätzliche Einschränkungen: verbleibt möglicherweise auf ursprünglich „normalem“ Niveau (zusätzliche Abklärungen nötig bspw. mit Pilotprojekten)